ING-DiBa, Veganer und die Grenzen des Hausrechts auf Facebook-Fanseiten

Dieser Beitrag ist für alle Betreiber von Facebook-Fanseiten wichtig, die wissen möchten, wie weit ihr Hausrecht reicht und welche Grenzen sie ihren Fans setzen dürfen. Anlass ist die „Beschlagnahme“ der Facebook-Seite der Bank ING-DiBa für einen erbitterten Streit zwischen Veganern/Vegetariern und Fleischessern. Der Beitrag gilt jedoch auch, wenn sich die Kritik der Nutzer gegen ein Unternehmen selbst richtet.

Lesen Sie bitte weiter, wenn Sie wissen möchten, wie Sie sich in einem solchen Fall verhalten sollten und was Sie bei der Ausübung Ihres Hausrechts beachten müssen.

Der Fall: Shit Storm auf der Facebook-Fanseite der Bank ING-DiBa

Die Facebook-Fanseite der Bank ING-DiBa ist gegenwärtig der Schauplatz einer Auseinandersetzung zwischen Veganern und Vegetariern und Fleischessern. Der Auslöser ist ein Werbespot der Bank, der den Basketballstar Dirk Nowitzki in einer Fleischerei zeigt.

Ein (sehr) kurzer Auszug aus der Diskussion auf der Facebook-Fanseite der ING-DiBa
Ein (sehr) kurzer Auszug aus der Diskussion auf der Facebook-Fanseite der ING-DiBa

Das Problem der Bank liegt in der Intensität und Umfang der Diskussionen, welche zusammen gefasst als ein „Shitstorm“ bezeichnet werden können. Kunden und Interessenten, die die Seite besuchen, werden eher das Gefühl haben, ein Diskussionsforum zum Thema Ernährungspolitik, als eine Bankseite vor sich zu haben.

Die Bank reagierte mit einer eigenem Unterseite, der beim Betreten der Seite als erstes aufgerufen wird. Darin lässt sie die Diskussion weiter zu, bietet jedoch um respektvollen Umgang der Nutzer unter einander.

Stellungnahme der Ing-Diba zur Diskussion auf der Facebookseite
Stellungnahme der ING-DiBa zur Diskussion auf der Facebookseite

Franz Patzig findet, dass der Schritt zu mild ist. Er empfiehlt in seinem Beitrag „Darf sich die ING-DiBa erpressen lassen?„, nach Ankündigung keine neuen Beiträge zuzulassen und eine Linkliste zu bestehenden Beiträgen zur Verfügung zu stellen, in denen die Diskussionen  weiter gehen können. Ob das rechtlich zulässig ist, zeigt der folgende rechtliche Teil.

Das virtuelle Hausrecht

Das virtuelle Hausrecht ist bereits mehrfach in Gerichtsentscheidungen anerkannt. Wer das Recht hat über die Nutzung eines Internetangebotes zu bestimmen, darf auch die Grenzen der Nutzung setzen.

Dieses Recht ist vor allem beim Aufbau von Communities wichtig. Wenn Sie zum Beispiel eine Community rund um eine Marke aufbauen, können Sie bestimmen, dass auch die Diskussionen einen Markenbezug haben. Sie können zum Beispiel Diskussionen um Konkurrenzmarken oder brisante Themen wie Religion oder Politik ausklammern. Damit können Sie dank dem Hausrecht Leitplanken für die Diskussionskultur setzen.

Das Hausrecht berechtigt Sie:

  • Nutzerbeiträge zur korrigieren oder zu löschen
  • Nutzern ein virtuelles Hausverbot zu erteilen (was bei Facebook praktisch durch die Nutzer-Blockierfunktion umgesetzt wird)

Was bei der Anwendung des Hausrechts auf Facebook zu beachten ist

Das Hausrecht ist nicht grenzenlos. Es wird im Fall von Facebook-Fanseiten durch Facebooks Nutzungsbedingungen und das Gesetz eingeschränkt:

  1. Sachliche Erwägungen und keine Willkür
    Sie dürfen sich nicht willkürlich Meinungen oder Fans aussuchen. Sie dürfen Nutzer nur dann aussperren oder ihnen die Meinung verbieten, wenn Sie einen sachlichen Grund dazu haben. Sachliche Gründe sind.

    • Störung des Geschäftsbetriebs – Der Geschäftsbetrieb einer Fanseite ist gestört, wenn sie ihren Zweck nicht erfüllen kann. Dieser liegt bei einer Bankseite u.a. in der Imagepflege, Vorstellung eigener Angebote oder Beantwortung von Kundenproblemen. Natürlich gehört auch Kritik dazu. Diese darf aber nicht wie in dem hier besprochenen Fall dazu führen, dass die Fanseite im Übrigen lahm gelegt wird.
    • Rechtliche Gefahren – Das Hausrecht darf ausgeübt werden, wenn für den Betreiber oder seine Nutzer rechtliche (Haftungs)Gefahren drohen. Zum Beispiel, wenn Beleidigungen, falsche Tatsachenbehauptungen oder Urheberrechtsverletzungen gepostet werden.
  2. Transparenz
    Für die Nutzer muss erkennbar sein, wie sie sich zu verhalten haben und was der Grund Ihrer Maßnahmen ist. Das ist in der Regel schon anhand des Zwecks der Seite möglich. Eine Bankseite ist zum Beispiel kein Diskussionsforum für Essgewohnheiten. Ist erst ein Mal der Fanseitenbetrieb aus dem Ruder gelaufen, sollten spezielle Maßnahmen angekündigt oder zumindest erklärt werden. Zum Beispiel sinngemäß:

    Wir werden die Beiträge ab Morgen einzeln frei geben. Wir begrüßen den Regen Meinungsaustausch über unseren Werbespot und nehmen die Diskussion ernst, möchten Sie jedoch auf die bereits vorhandenen Beiträge zum Thema beschränken. Das erachten wir als notwendig, um auch auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen zu können, die Fragen und ein Informationsinteresse an anderen Themen haben.

  3. Nutzungsbedingungen von Facebook beachten
    Laut Facebooks Nutzungsbedingungen für Seiten (Nr. 9, Stand 10.01.2012) dürfen Seitenbetreiber keine eigenen Richtlinien aufstellen. Das heißt, Sie dürfen zum Beispiel nicht bestimmen, dass Ihre Fanseite nur noch für Kundenanfragen, aber keine Kritik verwendet werden darf. Oder dass sie nur durch Privatpersonen genutzt werden darf. Jedoch dürfen Sie weiterhin durchgreifen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten oder Rechtsverstöße zu vermeiden. Sie dürfen auch eine „Netiquette“ führen, in der auf die Einhaltung dieser Punkte hingewiesen wird.
  4. Gesetzliche Regeln beachten
    Sie sollten es unbedingt vermeiden, dass man Ihnen eine der folgenden Benachteiligungen aus dem § 19 des Allgemeines Gleichbehandlungsgesetzes vorwerfen kann:

    Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, wegen des Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität

    Das heißt, bleiben Sie allgemein. Wenn es bei Ihnen um eine Diskussion zum Thema Christentum vs Islam geht, weisen Sie darauf hin, dass Sie wegen des Themas eingreifen und nicht wegen einzelner Meinungen.

  5. Fragen Sie die Social Media-Abteilung
    Sollte Ihr Unternehmen über eine Social Media Abteilung oder PR-Abteilung verfügen, fragen Sie sie bevor Sie einschreiten. Dieser Schritt ist keine rechtliche Voraussetzung, aber mindestens genauso wichtig. Vor allem Vorgesetzte und Geschäftsinhaber mit Administrationszugang können mit voreiligen Schritten mehr schaden als helfen. Es kann auch durchaus sein, dass die Marketingfachleute den Nutzersturm auszunutzen wissen. Oder abwarten und auf das wirksamste aller Schutzmaßnahmen gegen negative Nutzerproteste zurück greifen wollen – die positiven Gegenmeinungen treuer Fans.
Wer die Beziehung zu den Fans pflegt, kann auf deren Unterstützung in Krisenzeiten setzen. Diese ist oft wirksamer als eigene Maßnahmen.
Wer die Beziehung zu den Fans pflegt, kann auf deren Unterstützung in Krisenzeiten setzen. Diese ist oft wirksamer als eigene Maßnahmen.


Folgen bei Verstößen

Die rechtlichen Folgen sind das geringste Risiko. Rein theoretisch können Sie von Nutzern verklagt werden, wenn Sie sie ausgesperrt haben. Das dürfte bei Facebook-Seiten jedoch so gut wie nie passieren.

Das viel größere Risiko liegt in der Reaktion der Nutzer. Längst wurden Gerichte von der Macht der Nutzer als Kontrollinstanzen in solchen Fällen abgelöst. Negative Kritik und Imageverluste sind die größten Gefahren. Die oben genannten Punkte helfen Ihnen auch diese Gefahr zu vermeiden. Denn auch wenn Sie rechtlich klingen, sie sind das Ergebnis jahrzehntelanger Erfahrungen und sollen einen fairen zwischenmenschlichen Umgang sichern. Das heißt, wenn Sie die Regeln bei der Anwendung Ihres Hausrechts beachten, werden Sie Ihr Risiko gering halten.

Fazit und Praxisempfehlung

Das Hausrecht ist ein wichtiges Ordnungsinstrument, das auf eine lange Tradition in der „realen Welt“ zurückblickt. Sie sollten die dabei gewonnenen und im Gesetz verankerten Erfahrungen beim Umgang mit Konfliktsituationen auf Ihrer Facebook-Fanseite einsetzen. So behalten Sie die größtmögliche Kontrolle und Minimieren die Gefahr von Nutzerprotesten und Shitstorms.

Update

17.01.2012 – ING-DiBA hat, wie oben angedacht, ihr Hausrecht durchgesetzt, damit die Facebook-Seite wieder von Kunden genutzt werden kann.

ING-DiBa hat ihr Hausrecht rechtlich einwandfrei durchgesetzt.
ING-DiBa hat ihr Hausrecht rechtlich einwandfrei durchgesetzt.

07.05.2012 – Zu dem Thema habe ich auch einen juristischen Fachbeitrag verfasst: „Aufsatz zum virtuellen Hausrecht und Shitstorms in der „Kommunikation & Recht“ 5/2012

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ING-DiBa, Veganer und die Grenzen des Hausrechts auf Facebook-Fanseiten

25 Gedanken zu „ING-DiBa, Veganer und die Grenzen des Hausrechts auf Facebook-Fanseiten

  1. Hallo Herr Schwenke,

    auch wenn ich mich in einer komplett anderen Branche bewege, sind Ihre Ausführungen doch sehr hilfreich. Viele grössere Unternehmen sind sich dieser Problematik wahrscheinlich keineswegs bewusst.

    Manchmal frage ich mich, ob wir in einer komplett „verrechtlichten“ Welt leben. Ich vermute, dass jeder unbescholtene Bürger täglich mindestens 10 Rechtsverstösse begeht (Geschwindigkeitsüberschreitungen und Rotlichtverstösse nicht miteingerechnet).

    Wer hätte gedacht, dass man bei der Frage der Ausübung des virtuellen Hausrechts mit dem Anti-Diskriminierungsgesetz in Verbindung kommt. War dieses Gesetz im übrigen ursprünglich dafür gedacht ?

    Beste Grüsse und ein schönes Wochenende

    Oliver Tausend

    1. Hallo Herr Tausend,
      danke sehr und ich denke man kann die Marketingmöglichkeiten im Internet kaum ohne Rechtsverstöße ausschöpfen. Bei so vielen Regeln, technischen Neuerungen und den rasanten technischen Entwicklungen kann man „als normaler Mensch“ kaum alle Regeln befolgen. Damit werden an Marketingtreibende heutzutage rechtlich viel höhere Anforderungen gestellt als früher. Ohne ein „Gefühl“ dafür was falsch und richtig ist sowie Kenntnisse der maßgeblichen Gesetze ist es in etwa so, wie Autofahren ohne Kenntnis der Straßenschilder. Nur gut, dass die Folgen nicht so extrem sind. 🙂

      Das AGG ist nicht direkt für das Internet gedacht. Die von mir zitierte Regel war für Massengeschäfte im täglichen Leben gedacht. Z.B. Zugang zu Veranstaltungen, Cafés o.ä.

  2. Hallo,

    danke für die schöne Zusammenfassung – das gibt Transparenz. Nicht verstanden habe ich den scheinbaren Widerspruch in 3.:
    zur einen …dürfen keine eigenen Richtlinien aufstellen… aber dann …eine „netiquette“ führen…
    Wo ziehen Sie da die Grenze? Enthält die Netiquette nicht auch „Richtlinien“?
    Viele Grüße,
    Günther A. Biebl

    1. Die Grenze sehe ich dort, wo neue Regeln aufgestellt (z.B. Hier haben nur Männer zutritt) und nicht nur auf die bestehenden Facebookregeln hingewiesen wird.

  3. „Jedoch dürfen Sie weiterhin durchgreifen, um den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten oder Rechtsverstöße zu vermeiden. “

    Auf den meisten Fanseiten gibt es doch gar keinen „Geschäftsbetrieb“ im Sinne eines Verkaufs von Waren oder Dienstleistungen. Das sind reine Zusatzangebote, die der Information dienen. Das heißt ja dann wohl im Klartext, daß Facebook es einem verbietet, beispielsweise Off-Topic-Diskussionen zu untersagen, wenn diese den Betrieb der Seite mit ihrem eigentlichen Thema nicht völlig unmöglich machen. Das kann’s nicht sein, finde ich

  4. Vielen Dank für den Beitrag. Dabei musste ich gleich an Qype denken…

    Wie ist das eigentlich zB bei Qype? Ein Unternehmer erzählte mir, dass er dort eine unberechtigte harte 1-Sterne-Bewertung bekam, die er Qype als „bedenklichen Inhalt“ meldete. Zurück kam scheinbar eine Standard-Antwort mit Hinweis auf das Recht der freien Meinungsäußerung.

    Schon komisch, wenn Qype einem anonymen Schreiber mehr Rechte gestattet als dem betroffenen Unternehmer.

    Was sagt die aktuelle Rechtsprechung in solchen Fällen?

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